
Yallah! A Decade of Marching for Pride
Oral History: Die Geschichte queerer Migration und Flucht ist geprägt von dem Streben nach Freiheit und Selbstbestimmung. Im Jahr 2015, noch vor der großen Fluchtbewegungen über das Mittelmeer und die sogenannte Balkanroute, wurde die Queer Base ins Leben gerufen. Wir blicken zurück auf ein Jahrzehnt bedeutender Meilensteine in der queeren Refugee-Community in der Stadt Wien.
Im Mittelpunkt stehen die Geschichten derjenigen, die in den letzten zehn Jahren ihre Heimat verlassen mussten, weil sie als LGBTIQ-Personen nicht in Sicherheit leben konnten. Resilienz, Mut und queere Freude haben sie durch die Festungen europäischer Grenzregime getragen. Der Sommer der großen Fluchtbewegung und das Motto „Wir schaffen das“ haben eine kurzlebige Utopie hervorgebracht, die von Solidarität mit der vom Bürgerkrieg erschütterten Bevölkerung Syriens geprägt war. Unter diesen Geflüchteten befinden sich zahlreiche queere Menschen – nicht nur aus Syrien, sondern auch aus dem Irak –, die ursprünglich auf dem Weg nach Deutschland waren und oft nur zufällig in Österreich gelandet sind.
„Yallah! – A Decade of Marching for Pride“ erzählt entlang mehrerer biografischer Erzählungen von einer kollektiven Fluchtreise: von der Balkanroute über den Refugeekonvoi bis zu den Anfängen der Queer Base. Es thematisiert die Herausforderungen eines Asylverfahrens, in dem die Frage „Bin ich schwul genug?“ im Raum steht, die ersten LGBTIQ-spezifischen Unterbringungen sowie die aufregenden Besuche queerer Partys, die Angst vor der Polizei und den Beamten des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl. Zwischen dem Verstecken und dem Sichtbarwerden, zwischen der maskierten Teilnahme an der Regenbogenparade und dem Streben nach Normalität in Österreich stellt sich die Frage: Endlich in Sicherheit? Während andere fragen: Bist du ein Terrorist? Warum gehst du nicht zurück?
Viele syrische LGBTIQ, die in den Jahren 2015–2017 nach Österreich kamen entschieden sich ihre sexuelle Orientierung im Asylverfahren nicht vorzubringen, da sie aufgrund des Bürgerkrieges als Schutzbedürftige anerkannt wurden. Nach Ende des Baschar al Assad-Regimes und der Ankündigung des österreichischen Innenministeriums vermehrt syrische Asylberechtigte abschieben zu wollen, rechnen wir mit neuen Anfragen aus der syrischen LGBTIQ Community.
Anders verhielt es sich mit der irakischen Community, die zwar großteils bei der Asylantragstellung ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität nicht als Asylgrund angab, dann aber mehr und mehr den Weg zur Queer Base fand, um Unterstützung zu bekommen. Insbesondere die Verfahren, die in zweiter Instanz landeten stießen auf die vehemente Rechtsmeinung insbesondere eines Richters, dass ein schwules Leben im Irak sehr wohl ungefährdet möglich sei. Mehr dazu in unserem Irak Dossier aus dem Jahr 2021.
Jede einzelne Geschichte eines queer Refugees zählt:
Was war dein erster Eindruck, als du zur Queer Base in die Villa gekommen bist?
Wie war es für dich während des Asylverfahrens in einer Wohnung spezifisch für LGBTIQ zu wohnen?
Welchen Unterschied macht es queere Rechtsberatung während des Asylverfahrens zu haben?
Was war deine größte Herausforderung während des Asylverfahrens in Österreich?
Wie hast du deine erste Vienna Pride in Erinnerung?
Was sind die lustigsten / komischsten / verblüffendsten / besonderen Momente, an die du dich bei der Queer Base erinnerst?
Und dann hat sich mein Leben verändert:
Es ist schwierig nach 10 Jahren intensiver Kämpfe von queeren Refugees eine Auswahl zu treffen, jedes einzelne queere Leben zählt… Trotzdem hier eine Sammlung:
- Schwuler aus Nigeria hat 12 Jahre um sein Asylrecht gekämpft und schließlich gewonnen!
- Lesbe aus dem Iran konnte aufgrund einer EUGH Entscheidung einen zweiten Asylantrag stellen und bekam nach 7 Jahren Asyl.
- Ein pansexueller aus dem Irak hat für sich und seine Familie Asyl bekommen.
- Lesbische Regenbogenfamilie aus Russland bekam 2018 einen positiven Bescheid.
- Schwarze Lesbe aus Kamerun bekommt 2017 Asyl vom BVwG.
- Ein schwuler Iraner bekam einen negativen Bescheid, weil er die Bedeutung der Farben der Regenbogenflagge nicht kannte. Er bekam 2018 ein positives Urteil vom BVwG.
- Schwule aus Bangladesh gewinnen zahlreiche Verfahren bei den Höchstgerichten gegen negative Entscheidungen des Vizepräsidenten des BVwG.
- Schwuler aus Tschetschenien erhält 5 Jahre lang bis 2022 kein Asyl.
- Trans Frauen aus Georgien (2022) und aus der Türkei (2025) bekamen Asyl.
- Eine intergeschlechtliche Person hat das Recht auf eine neue Geburtsurkunde für Menschen mit subsidiärem Schutz im Jahr 2023 gewonnen.